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Aal: Bundesministerium ermöglicht weitere Fangverbote

Veröffentlicht am 29.01.2023

Am 13. Dezember des vergangenen Jahres hat der EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei getagt und befunden, dass der Europäische Aal eines verbesserten Schutzes bedarf. Als Maßnahmen wurden ein Verbot der Freizeitfischerei im Meer und eine Ausweitung der Schonzeit von drei auf sechs Monate für die Erwerbsfischerei beschlossen.

Bereits diese Entscheidungen treffen bei uns auf Unverständnis, weil es völlig unklar ist, ob die beschlossenen Maßnahmen überhaupt irgendeinen positiven Effekt auf den Aalbestand haben können. Zahlen oder verlässliche Angaben hierzu fehlen. Und wieder einmal ist es nur die Fischerei, die mit massiven Einschränkungen belegt wird. Konkrete Maßnahmen, die zu einem Stopp oder einer Verminderung der massenhaften Tötung von Aalen in Wasserkraftwerken, der weiteren Vernichtung von Lebensräumen des Aales oder der Einleitung von Schadstoffen in die Gewässer führen würden, wurden erneut nicht auf den Weg gebracht – obwohl sie wahrscheinlich deutlich wirksamer wären als Fangverbote.

Fangverbote in Binnengewässern drohen

Aus Sicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehen die nun zusätzlich zu den bestehenden Regelungen beschlossen Restriktionen für die Fischerei offenbar noch nicht weit genug. Das Ministerium hat sich in einer freiwilligen Zusatzvereinbarung zu weiteren Maßnahmen verpflichtet. Es gibt Überlegungen auch die Aalfischerei in den Binnengewässern weiter einzuschränken. Dies hätte gerade bei uns in Schleswig-Holstein enorme sozioökonomische Folgen. Der Aal ist unverändert ein sehr beliebter Speisefisch. Die negativen Auswirkungen für die Binnenfischereibetriebe und für die Angelei wären erheblich, auch der wirtschaftliche Schaden wäre groß. Und all das soll ohne Belege für einen positiven Nutzen in Kauf genommen werden.

Wir können nicht verstehen, warum das BMEL die Fischerei als maßgeblichen Faktor für den Rückgang des Aalbestandes verantwortlich macht und mit seinen Maßnahmen ausschließlich auf die Angler und Fischer abzielt. Uns erscheint dieses Vorgehen willkürlich und ungerecht. Es sind doch genau diese Personengruppen, die sich seit Jahrzehnten mit sehr viel Engagement für den Schutz von Fischen und Gewässern einsetzen. Auch beim Aal waren es bisher vor allem die Angelverbände und ‑Vereine, die unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden und erhebliche finanzielle Mittel für den Schutz und Erhalt der Bestände in ihren Gewässern aufgebracht haben.

Ein Boot auf der Elbe bei Nacht, drei Personen fischen in der Dunkelheit mit Elektrofischereigerät.Wir untersuchen die Aalbestände in unseren Gewässern seit vielen Jahren und tragen so zum Wissen um diese Fischart bei. Wir haben, wie alle Angler, ein vitales Interesse an einem gesunden Aalbestand und arbeiten hart dafür.

Landesregierung und Fischereiverwaltung zeigen sich enttäuscht

Zum Glück wird der Vorstoß des Bundesministeriums auch von unserer Landesregierung und der verantwortlichen Fischereiverwaltung kritisch gesehen. Dies gilt sowohl für die bereits beschlossenen Fangverbote im Meer als auch für die drohenden weiteren Einschränkungen durch die Zusatzvereinbarung. Bei einer gestrigen (11.01.2023) Sitzung des Umwelt- und Agrarausschusses wurde unter anderem das Thema Aal angesprochen. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz stellte klar, das Ergebnis des Rates zum Aal sei „mehr als enttäuschend. Erneut wird die Fischerei einseitig belastet. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob und wann verbindlich auch andere Maßnahmen außerhalb der Fischerei zum Schutz des Aals ergriffen werden.“ Martin Momme, Fischereireferent für Küstenfischerei, machte deutlich, dass die eingegangene Zusatzvereinbarung nicht rechtlich bindend sei und dass die Fischereiverwaltung des Landes nicht glücklich mit diesem Schritt des Bundesministeriums ist. Wir erkennen an und sind dankbar dafür, dass wir in Schleswig-Holstein Politiker und Referenten haben, die fachlich versiert und besonnen auf den Vorstoß des Bundes reagieren.

Entscheidungen basieren auf umstrittenen Meinungen

Vermutlich bezieht sich das Ministerium ausschließlich auf die Expertise eines kleinen Personenkreises innerhalb des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) und des Thünen-Instituts für Fischereiökologie. Die dort vertretenen Auffassungen sind jedoch innerhalb der Fischereiwissenschaft durchaus umstritten. Die Ursache für die zum Teil weit auseinanderliegenden Auffassungen zum Aalmanagement liegt in den erheblichen Wissenslücken, die bezüglich dieser Tierart bestehen. Weder wissen wir, wo und unter welchen Umständen die Tiere laichen, noch wie groß der Laicherbestand überhaupt ist oder woher die Tiere eigentlich kommen, die erfolgreich zur Reproduktion beitragen.

Bekannt und unstrittig ist hingegen, dass die Anzahl der an den Europäischen Küste ankommenden Glasaale seit den 1980iger Jahren stark abgenommen hat. Warum das so ist, konnte bis heute nicht ergründet werden. Betrachtet man jedoch den massiven Lebensraumverlust durch die Zerschneidung unserer großen Fließgewässer in ganz Europa, ist eigentlich klar, dass der Bestand abnehmen musste. Der Negativtrend ist erfreulicherweise seit 2011 gestoppt. Die Zahlen der jährlich ankommenden Glassaale haben sich weitgehend stabilisiert. Das Niveau ist zwar nach wie vor niedrig, doch bei mehr als einer Milliarde Glasaale, die jährlich in den Küstengewässern ankommen, ist es absolut irreführend von der Gefahr des Aussterbens zu sprechen.

Aalbesatz differenziert betrachten

Auch die Praxis des Aalbesatzes könnte von der durch das BMEL mitgezeichneten Zusatzvereinbarung betroffen sein. Oftmals wird recht pauschal behauptet, dass Besatzmaßnahmen mit Aalen nicht sinnvoll seien, weil es sich bei den besetzten Tieren um Wildfänge handelt. Auch diesbezüglich mahnen wir eine differenzierte Sichtweise an. Besatz mit Aalen kann durchaus einen positiven Effekt auf den Gesamtbestand haben, und zwar immer dann, wenn die Sterblichkeit der gefangenen Glasaale bei Fang, Transport, Aufzucht und Besatz geringer ist, als bei Tieren die in den Gewässern verbleiben und ihre Wanderung stromauf oder entlang der Küsten fortsetzen. Neuere Zahlen des Instituts für Binnenfischerei (IfB) deuten darauf hin, dass dies bei vielen Besatzmaßnahmen gerade in den küstennahen Gewässern durchaus der Fall sein kann.

Nahaufnahme von drei vorgestrecken Aalen.Der Besatz mit vorgestreckten Aalen und Glasaal hat in Schleswig-Holstein zu einer deutlichen Bestandserhöhung geführt. Diese führt höchstwahrscheinlich auch zu einer deutlich höheren Blankaalabwanderung aus unseren Gewässern.

Im Jahr 2022 erhielt der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein den Glasaalbesatz aus Fängen im Mündungsbereich der Gironde in Frankreich. Wären diese Individuen nicht als Besatzmaterial gefischt worden, wären sie höchstwahrscheinlich in die Flusssysteme von Garonne und Dordogne aufgestiegen. Im Gewässersystem befinden sich viele Wasserkraftwerke und zwei Atomkraftwerke mit Kühlwasserentnahmen, die zu erheblichen Mortalitäten führen. Zusätzlich wurde in Teilen von Dordogne und Garonne im Jahr 2011 der Aalfang mit anschließendem Verzehr aufgrund einer Belastung mit PCB verboten. Ein extrem angewachsener Bestand an Welsen führt dort außerdem zu einer starken Prädation. Eine Untersuchung zu Meerneunaugen auf ihrer Laichwanderung konnte aufzeigen, dass 80 % der besenderten Tiere Welsen zum Opfer fielen (Boulêtreau et al. 2020). Die Frage, ob die Aale nicht etwa im Nord-Ostsee-Kanal besser aufgehoben sind und mehr zum Bestandserhalt beitragen können, erscheint mehr als berechtigt.

Wirksame Hilfe für den Aal statt sinnloser Bauernopfer

Gerade beim Aal zeigen wir in Schleswig-Holstein mit langjährigen Untersuchungsergebnissen, dass Besatz, Nutzung und Schutz keinesfalls im Widerspruch zueinander stehen: Trotz Nutzung durch Angler erreichen wir in unseren geeigneten Gewässern dank durchdachtem Besatz eine relevante Zunahme des Gesamtbestandes, die höchstwahrscheinlich auch eine erhöhte Abwanderung von Blankaalen zur Folge hat. Es wird Zeit, dies auch auf Bundesebene zu verstehen und nicht mit dem dogmatischen, simplen Ansatz eines wirkungslosen Fangverbotes auf ein komplexes Problem zu reagieren.

Wenn es Bundesminister Özdemir tatsächlich ernsthaft um einen verbesserten Schutz des Aalbestandes geht, dann fordern wir ihn mit Nachdruck auf, uns bei unseren Bemühungen im Bereich des Gewässerschutzes zu unterstützen, statt uns mit Fangverboten zu belegen. Ansatzpunkte hierfür gäbe es genug. Beispielhaft seinen hier klaren Regelungen für den tierschutzkonformen Betrieb von Wasserkraftkraft- und Schöpfwerken oder ein Ende des lebensraumvernichtenden Gewässerausbaus genannt. Die Entwicklungen rund um die letzte Elbvertiefung zeigen leider deutlich, wie uneingeschränkt die Gewässerökologie wirtschaftlichen Interessen untergeordnet wird.

Der Deutsche Angelfischerverband hat ebenfalls am heutigen Tage eine Meldung zu den Vorkommnissen in Brüssel veröffentlicht. Wir stimmen unser Vorgehen eng mit dem Kollegen vom Bundesverband ab und stehen in dieser Frage geeint mit ihnen und vielen weiteren Landesverbänden in Deutschland.

Sobald eine offizielle Veröffentlichung bezüglich der Zusatzvereinbarung des BMEL vorliegt, werden wir gemeinsam mit dem DAFV und anderen Landesverbänden eine umfassende Erklärung abgeben. Einer nicht durchdachten Entscheidung des Bundesministeriums werden wir mit allen Mitteln entgegentreten!

Quelle: LSFV S.-H.

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